Von wegen „Wir“. Ihr sprecht nicht für mich! Lesenswerte Hilfe von Heinrich Detering

Ein analytischer Beistand von Heinrich Detering zur gewaltverherrlichenden und entmenschlichenden Sprache der Rassisten, Faschisten und Neonazis in unserem Land, Reclam, 6 Euro.

Sprache ist gefährlich. Teils tut sie mehr weh, als Schläge. Sprache kann in Teilen auch schön sein. Sprache ist notwendig. Heute empfinde ich die Sprache der „Rechten“ als eine der gefährlichsten Elemente der Neuzeit. Aus dieser vermeintlich „neuen“ Sprache entsteht Gewalt von rechts. Und die Gewalt steigt täglich (Link).

Es braucht Menschen, die dieser Gefahr besser entgegentreten können. Man muss die Rechten als das erkennen und betiteln, was sie sind – genauso, wie deren Sprache. Damit letzteres funktioniert, braucht es Anleitungen, wie jene von Detering.

Liebenswürdig ist ein schönes Wort. Es enthält Liebe und Würde, sowie einen starken, freundschaftlichen Bezug. Wenn jedoch Obelix Asterix fragt, „darf ich liebenswürdig zu ihnen sein?“, steht im folgenden kein Römer mehr in den eigenen Sandalen – in diesem Fall hat „liebenswürdig“ eine gänzlich andere Bedeutung. Der Vogelschiss ist alleinstehend auch nicht verletztend, gesprochen von Gauland entwürdigend, unmoralisch, entmenschlichend aber auch legal.

Als ob „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ Pate gestanden hat für die Sprache der von Storchs, Gaulands, Höckes oder Göbbels: Detering taucht hinab in die Sprache und Rhetorik, mit jener ich eigentlich nicht umgehen kann und will aber immer häufiger muss. Ich bin auf einem Terrain in jenem es hochgradig gefährlich zugeht.

Mir ist das über. Ich will nicht mehr mit ihnen sprechen. Nämlich weil sie genau das tun, was Detering beschreibt: Ihnen geht es nicht um Fakten, um die „(…)Argumentative Überlegenheit, sondern um die Erschließung und Besetzung diskursiver Felder. Um das Abstecken von Claims geht es, um den Ehrgeiz, mit Reizvokabeln die Grenzen des Sagbaren auszuweiten, um die Steuerung der öffentlichen Aufmerksamkeit“. Es ist also vollkommen sinnlos, ihnen auf diesen gefährlichen Diskurspfad zu folgen. Und ja, auch ich habe einen Teil in meiner Familie, den ich längst „abgeschrieben“ habe.

Einem jeden, der sich schon in einer Situation wiedergefunden hat, in jener er mit „Rechten“ reden musste, empfehle ich diesen Buchtitel von Detering als Hilfe, Denkanstoß oder auch als Ansatz, um das eigene Wohlbefinden in diesem Land nicht zu verlieren.

Meine Rhetorik reicht dagegen nicht aus, um in solchen Situationen zu kontern. Ich bin entweder entsetzt oder enttäuscht, ich verfalle häufig in verbale Schockstarre, kann mich oftmals nicht mehr artikulieren und suche Auswege aus diesem Dilemma – die Flucht. Ich entziehe mich der Situation und versuche fortan solche Menschen zu meiden. Wäre ich redegewandter oder auch schlagfertiger, würde mir der Titel von Detering noch mehr helfen.

Neben der Zweideutigkeit als legale Verbalinjurie und der Entmenschlichung geht Detering auch das Thema „Unser Deutschland“ und das implizierte, falsche „Wir“ an, was mich so derart auf die Palme bringt. Die Anmaßung, in meinem Namen sprechen zu wollen, ist mir sowas von über. Thomas Mann eilt uns zur Hilfe, jenen Detering wie folgt zitiert:

„Das Reich, Deutschland soll ich beschimpft haben, indem ich mich gegen sie bekannte! Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden.“

Ferner seziert er die Göbbels-Sprache, den NS-Jargon des rechten Flügels und des Herrn Höcke als gefährlichste, widerlichste und abscheulichste Element gegen die Menschlichkeit. Mit dem Texten von Detering wird es einfacher, die Sprache der Unmenschen zu entlarven.

Selbst wenn der Text von Detering auf Wunsch der Vorsitzen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken entstanden ist, ist er auch für alle Menschen lesenswert.

Zu finden waren gekürzte Ausschnitte auf der Website des Zentralkomitees, in der Frankfurter Rundschau, im Kölner Stadtanzeiger und in der Berliner Zeitung, sie wurden selbstverständlich von „nationalkonservativen“ angegriffen.

Den kompletten Text findet man seit März 2019 für 6 Euro bei Reclam. Ich finde ihn lesenswert und verlinke (ohne Afiliate) auf die ISBN 3150196191 (LINK)