Der Versuch, um #Lieferando herumzukommen

Der Bringdienst von „Just Eat Takeaway.com“ ist in aller Munde. Sprichwörtlich. Als ich aus erster Hand erfahre, wie fair mit den Restaurants und Fahrern umgegangen wird, möchte ich etwas ändern, stolpere aber beim Versuch.

tl;dr: Es geht. Du musst nur wieder mit „Menschen“ interagieren.

Lieferando (Just Eat Takeaway) ist ein Onlineanbieter von Lieferdienstleistungen in der Gastronomie mit Sitz in Amsterdam, schreibt Wikipedia (Link). Jitse Groen ist mit seinem Unternehmen 2008 auch nach Deutschland gezogen und hat unlängst den ganzen Markt auf links gedreht.

Nachdem „Delivery Hero“ die Marken „Pizza.de“, „Lieferheld“ und „Foodora“ an Just Eat Takeaway verkauft hat (Link), wurde es für mich mangels „erweiterter Fähigkeiten im Zubereiten von Mahlzeiten“ sehr schnell sehr „übersichtlich“. Die Umstellung gelang – aus meiner subjektiven Brille – mehr oder weniger sanft. Mitbewerber gibt’s zumindest in meiner Region gefühlt erstmal keinen (eine Fehleinschätzung meinerseits, dazu später mehr). Da der Mensch ein anpassungsfähiges Tierchen ist, versucht er sich primär am Weg des geringsten Widerstands. Das wird quittiert mit zunächst eher kleinen Ärgernissen, ich musste mich nicht nur an eine neue App gewöhnen.

Es läuft nicht rund

Erstmals als Fauxpas, da meine Zieladresse in der App des Anbieters durch die noch recht ungenaue Ortungsfunktion meines iPhones „aktualisiert“ wurde. Ein Feature, was zu neuen Bekanntschaften führte. Wenigstens lernt man dadurch die liebe Nachbarschaft in dieser anonymen Mittelstadt auch mal kennen. Es sind Freundschaften entstanden. Introvertierte haben mit so etwas ja auch ihre Probleme, in sofern bin ich tatsächlich dankbar.

Die Fahrer waren damals schnell genervt, gaben aber zerknirscht an, man kenne das Problem schon. Die häufig um ein paar Hausnummern „korrigierte“ Adresse kam ja – zumindest in Krefeld – nicht nur exklusiv bei mir vor. Klar, schaut „man“ genau hin, kriegt „man“ diesen Bug auch selbst spitz. Allerdings gehe ich bei der Nutzung von einer solchen App auch nicht immer von so einer Logik aus. Und schon gar nicht, wenn mir gerade nach einem Lieferdienst und nicht nach „Kochen“ ist.

Wenig später deaktiviere ich die Push-Funktion der App, da sie immer wieder für Werbung missbraucht wurde. Die anfängliche Gutscheinflut ist ja auch nur umständlich mit der App nutzbar und nicht mit der Website. Ein wenig genauer nachgesehen, ist in dem Ding mal wieder das Facebook SDK präsent, aber eben nicht „nur“ das.

Die Liste der Nutznießer ist wohl auch in der Android-App recht lang (Link). In solchen Fällen bemüht sich manch einer, das iPhone von solchen Apps zu befreien, und ausschließlich die Webseite zu nutzen. Imho immer noch ein großes Problem auf iOS: Ich kann als Nutzer ohne Sachkenntnis nicht erkennen, welche SDK’s + Tracker tatsächlich eingebaut sind. Ich muss mich auf die Appstore-Angaben und Apple (Link) verlassen. Im Falle von Lieferando scheinen die Angaben zwar zu stimmen, schrecken mich aber eher ab. Schenkt man den Bewertungen der App Glauben, ist meine subjektive Einschätzung auch da mal wieder ziemlich exklusiv.

Angaben im Appstore

Die Website selbst ist übrigens auch nicht besser. Diese Liste (Link) wollte sich über das letzte Pandemiejahr 2020 hinweg weiter füllen. Es sollte wohl auch dem letzten klar sein, dass nicht nur die Vermittlung von Restaurantlieferungen im Fokus stehen, ganz klar auch der Handel mit Daten: Fehlannahme. Wer liest schon „Kleingedrucktes“. Manche haben ja eh nichts zu verbergen.

Mal nachgefragt

Die Lieferzeiten in der Übersicht der Restaurants beruhten auf den Angaben der Nutzer plus KI. Das stimmte teils nicht. Nachdem ich eine LZ von zweieinhalb Stunden auf der Couch verschlief und ein Essen nicht um 21:00, sondern um 23:00 Uhr kalt annahm, fragte ich da mal nach: Es war übrigens der erste Fahrer von Lieferando, den ich damals kennengelernt hatte. Dieser Anbieter hatte keine eigenen Fahrer und verließ sich auf das Angebot von Lieferando. Je größer die Stadt, desto häufiger diese Art von Dienstleistung.

Aber auch die hauseigenen Fahrer der Bringdienste sind unzufrieden: Das Trinkgeld, was ich zu Pandemiezeiten über die Trinkgeldfunktion im Bestellprozess zukommen ließ, war laut allen Fahrern niemals angekommen. Doch auch mit diesem Problem bin ich nicht alleine (Link). Die Antwort des Vermittlers: Die Restaurants geben die Gelder selbst nicht an die Fahrer weiter. Ich will mal anmerken: Bei anderen, regionalen Vermittlern funktioniert die Trinkgeldweitergabe sehr wohl, ich will auch gleich ein Beispiel nennen. Im Moment kann ich nur festhalten, dass der Umgang mit den eigenen Fahrern wohl auch alles andere als fair ist – (Link). Ein wenig später steht Lieferando im Umgang mit den Fahrern erneut in der Kritik (Link).

Umdenken

Ich meine, wenn’s nur mir auf den Zünder geht, ist’s ja nicht schlimm. Wenn aber andere drunter leiden, dann stimmt da grundsätzlich was nicht. Ich beginne, am System Lieferando zu zweifeln und telefoniere mal mit drei meiner liebsten Restaurants. Alle bestätigen entweder teilweise oder vollständig, was im Tagesspiegel in 12/2020 festgehalten wird: (Link). Auch sie sind anfänglich mit Lock-Angeboten abgeholt worden, die aktuellen 30% Provisionen rechnen sich nicht. Bargeld sei immer besser und ganz klar eine telefonische Bestellung.

Nun hatte Lieferando ja anfangs auch für mich einen Vorteil: Neuen Bringdienste, „die’s nicht gebracht hatten“, konnte man durch Beschwerde beikommen. Das passierte in meinem Fall exakt einmal, allerdings auch nur mit Magenschmerzen. Eigentlich sind alle Bringdienste fast immer bemüht, leckeres, heißes Essen zu liefern. Bei einem schlechten bestellt man ja auch kaum ein zweites Mal, da will ich unterschiedliche Geschmäcker auch mal mit einkalkulieren. Bei mir ist der springende Punkt wohl eher das allgemeine Handling und besonders die Abwicklung:

Bargeld

Vermeintlich geht’s erstmal nicht ohne Bargeld, was ich später widerlegen will. Nun ist Bargeld und dessen Bezug in Zeiten der Pandemie für manche recht problematisch. Für mich wohl auch, da mein „Bankhaus“ fast alle kleineren Filialen geschlossen hat und für mich nur noch im Zentrum unserer Stadt erreichbar ist. Manch andere nutzen inzwischen ja eh nur noch Online-Banken. Der Automat meiner Bank für die adäquate Stückelung der Banknoten ist übrigens häufig defekt und / oder leer, zudem erst ab 10:00 Uhr zugänglich. Das ist – mit Verlaub – für die arbeitende Bevölkerung noch problematischer. Allerdings muss ich gerade diesen Automaten regelmäßig besuchen. Ich bring’s im Moment einfach nicht über’s Herz, „meine“ lieben PicNic-Fahrer ohne Trinkgeld ziehen zu lassen. Die Bargeldversorgung ist wahrlich das nervigste am Bargeld selbst.

Außerdem gaben manche, über Lieferando vermittelte Bringdienste mit eigenen Fahrern an, eine „eigene App“ zu haben. Die werben damit dann auch recht offensiv. Die jeweilige App hatte allerdings ähnliche Nachteile und wurde von bislang zwei Herstellern – als deren Shopbetreiber – entwickelt. Schaut man sich die kleinen Werbekärtchen oder Aufkleber auf dem Pizza-Karton im Detail an, ist recht schnell offensichtlich, welcher von den beiden dahinter steckt.

Die Schattenseiten, andere Shops

Primär bleibt mir wohl erstmal nur das Telefon. Auf der Suche nach der Rufnummer eines leckeren Krefelder Grills schwimmt erstmal nur die .de-domain in der Suchmaschine oben: Eine Schattenseite von Lieferando. Der Restaurantinhaber nutzt zusätzlich noch den Dienstleister „order smart“, präsent unter der in den Suchmaschinen kaum auffindbaren .com domain des Betreibers. Immerhin wirbt dieser Vermittler mit 0% Provision. Ob der Restaurantbetreiber tatsächlich weiß, welche Chance „Ordersmart“ gegenüber „Lieferando“, gefunden zu werden?

In meinen Augen können sich wohl nur wenige ein adäquates Ordersystem leisten. Telepizza lässt sich z.B. von der Ottomatik GmbH aus Braunschweig ausstatten, Domino’s löst’s derweil über die Muttergesellschaft. Die vielen anderen haben das Nachsehen: Deren Expertise liegt ja auch nicht im Design sicherer Webshops oder Apps. Die sind auf Gedeih und Verderb auf dritte angewiesen, die sich das – mit Sicherheit – auch gut bezahlen lassen.

Noch schräger: Mein neuer „Lieblingskroate“ nutzt neben Lieferando übrigens auch einen anderen Bestellshop, wirbt jedoch fleißig für gute Bewertungen auf Lieferando. Ich ordere da sehr gerne (wenn ich am Folgetag keinen direkten Kontakt zu Menschen habe). Auf Nachfrage kommen die Trinkgelder via Gastronavi wohl beim Fahrer an, es steht allerdings auch auf der Rechnung, hier hätten wir dann den vormals erwähnten Bezug zu Lieferando: Die Trinkgelder werden von den Restaurants sehr wohl weitergegeben!

Allerdings kann ich mir für das Thema Trinkgelder auch einen steuerrechtlichen Hintergrund denken, mit ein Grund, warum Bargeld bei Trinkgeld weiterhin zweckdienlich ist, so wenig ich das auch mag. In den USA ist tipping mit Kreditkarte default (Link), der steuerrechtliche Gedanke ist da nachrangig oder man hat einfach ein ganz anderes Verhältnis zur Dienstleistung. Ich will da jetzt kein Fass aufmachen, warum in Deutschland Trinkgelder in dieser Form bitter notwendig sind, aber das ist nochmal ein komplett anderes Ding. Sofern man aber mit den Menschen spricht, kommt man sehr wohl auf neue, alte Lösungen, die für beide Seiten absolut akzeptabel sind.

Es geht! Und es ist noch schöner.

Allerdings muss ich das erst mal wieder lernen. Mit echten Menschen zu sprechen, anstatt mit einer Website zu interagieren ist – für mich – anfangs noch ungewohnt, aber faszinierend: Meiner Erfahrung nach bevorzugt jeder Bringdienst eine telefonische Bestellung grundsätzlich, kommt mir auch immer wieder – auf Nachfrage – entgegen. Es ist eben alles besser 30% Provision abführen zu müssen, das inkludiert dann auch Paypal.

Virtuelle Wegwerf-Kreditkarte von Revolut

Bargeldlos und Telefon geht: Manche schicken mir einen PayPal.me Link per SMS, manch andere unterstützen Paydirekt (für mich immer noch problematisch, weil Telefonbuchzugriff notwendig). Man muss nur nachfragen. Auch habe ich kein Problem, z.B. eine Kreditkartennummer per Telefon durchzugeben (Link). Wem das noch zu unsicher ist: Einige Anbieter, z.B. Revolut, bieten auch „Disposable Virtual“ Kreditkarten an, welche sich nach Gebrauch vernichten lassen. Auch lässt sich hierüber Trinkgeld abrechnen, was die Fahrer hinterher tatsächlich bekommen.

Wo ein Wille ist, ist also auch ein *wasauchimmer*! Wie sieht’s aus? Hat Dein Lieblingsrestaurant das verdient, ein wenig mehr Unterstützung zu bekommen? Hast Du noch bessere Ideen, Dienstleister oder andere Apps gefunden? Ich bin wissbegierig, schreib‘ mir doch.

Dankeschön!

PS: Der „andere“ hat sich umentschieden: Delivery Hero will wohl zurückkommen, schreibt die SZ (Link). Naja, wir werden – zwangsläufig – sehen, was da denn kommt. Oder auch nicht.

Titelbildquelle: Pixabay, Hans